Lieber Grabstein 2.0!
Künftig können die Verstorbenen auch in Stuttgart online gehen: Das Friedhofsamt denkt darüber nach, QR-Codes an Grabsteinen zu erlauben. StZ-Kolumnist Erik Raidt schreibt über das virtuelle Weiterleben nach dem Tod.
Stuttgart – Bisher arbeiten vor allem Friedhofsgärtner und Pfarrer auf Friedhöfen, zukünftig könnten dort auch Systemadministratoren und IT-Techniker zum Einsatz kommen. Auch in Stuttgart können Verstorbene demnächst online gehen, jedenfalls denkt das Friedhofsamt darüber nach, künftig Quick-Response-Codes an Grabsteinen zu erlauben. Diese QR-Codes ermöglichen es, mit Hilfe von Smartphones oder Tablet-Computern über ein Symbolbild blitzschnell Informationen abzurufen.
Quick Response galt bis heute nicht als Kerngeschäft von Friedhöfen. Die oberste Friedhofsregel lautete „Rest in Peace“, aber mit der Ruhe in Frieden könnte es vorbei sein, wenn die Besucher mit dem Smartphone vor dem Grabstein stehen und auf der Webseite des Verstorbenen umhersurfen. Zur Friedhofskultur gehört dann nicht mehr nur das analoge Grab, sondern der Grabstein 2.0.
Gefällt-mir-Button bei Beerdigungen
Die Entwicklung folgt maßgeblichen Trends in der Großstadt. Schon heute verschmelzen immer mehr Menschen mit ihrem Smartphone – in den Stadtbahnen hocken verkrümmte Gestalten, die mit ihren Fingern über Bildschirmoberflächen wischen und beim Aussteigen erschreckt feststellen, dass Mitmenschen neben ihnen in der Bahn gesessen haben. Verliebt, verlobt, verheiratet – heute wird jede neue Abbiegung im Lebensweg via Facebook im digitalen Lebenslauf gepostet. Was passiert aber, wenn Friedhöfe bald ihre Beerdigungen in sozialen Netzwerken ankündigen und Menschen daraufhin den Gefällt-mir-Button drücken?
Auch Friedhöfe müssen mit der Zeit gehen, da reicht die gewöhnliche Tieferlegung nicht mehr aus, es muss schon ein Download sein. Womöglich könnten sich die Angehörigen dereinst auch den Weg mit den Blumen sparen, weil man vor dem Grab ein virtuelles Vergissmeinnicht ablegen kann. Das wäre ein Quick Response auf die persönliche Befindlichkeit des jeweiligen Hinterbliebenen. Das Jenseits ist nur noch einen Mausklick entfernt. Ein Filmtitel verkündete einmal die schöne Wahrheit „Wer früher stirbt, ist länger tot“. Jetzt, wo die digitale Revolution den Friedhof erreicht, könnte es heißen: „Wer später stirbt, ist nicht mehr tot.“
Er lebt ja als virtuelles Wesen weiter. Nur bekommt er es nicht mehr mit, wenn Besucher an seinem Grabstein das Smartphone zücken. Früher hätten über ihm nur die Amseln gezwitschert, heute twittert es im Geäst.
Den Bericht von der Stuttgarter Zeitung finden Sie hier.